Denn Abfall gibt es seit dem Auftauchen des Menschen. Indem er sich aufrichtet, hat er plötzlich beide Hände frei - für die Herstellung und den Gebrauch von Werkzeugen, aber auch, um Dinge „abfallen“ zu lassen oder bewusst wegzuwerfen: Müll.
Am Anfang der menschlichen Geschichte ist das noch sehr wenig. Denn die unter großen Mühen hergestellten Gegenstände sind zu wertvoll, um sie einfach wegzuwerfen. Von Steinabfällen über abgebrochene Knochennadeln - alles, was geht, wird wiederverwendet, wie archäologische Funde belegen. Recycling ist kein Phänomen der Neuzeit, sondern genauso alt wie das Wegwerfen.
Das, was am Ende trotzdem auf Deponien landet, interessiert heute vor allem die Archäologen. Jenseits schriftlicher Zeugnisse gehört der Müll unserer Vorfahren zu ihren wichtigsten Quellen. Dass das Verhältnis der Menschen zu ihrem Müll zunächst durchaus ungezwungen ist, beweisen die Hinterlassenschaften der dänischen Ertebølle-Kultur, deren Angehörige sich auf riesigen Bergen von Muschelschalen, den so genannten „Køkkenmødding“, das heißt „Küchenabfallhaufen“, häuslich einrichteten. Wenn nötig, konnte man den Müllberg aber auch einfach verlassen und weiterziehen.
Erst mit Beginn der städtischen Lebensweise werden Abfall und Fäkalien zum Problem. Sie stinken nicht nur buchstäblich zum Himmel, sie werden auch schon in der Antike zurecht für Seuchen verantwortlich gemacht. Entsorgung wird zur logistischen Herausforderung. Rom, die erste Millionenstadt der Geschichte, baut schon vor über 2000 Jahren eine Kanalisation, die Cloaca Maxima, die in Teilen noch heute in Betrieb ist. Danach sollte es bis ins 19. Jahrhundert dauern, bis eine europäische Metropole wieder mit einer effizienten Kanalisation versehen wurde. Die Kanalisation von London, zwischen 1859 und 1865 errichtet, gilt bis heute als eine Großtat städtischer Infrastruktur.
In der Zeit davor, insbesondere während des Mittelalters sind die menschlichen Abfälle eine permanente Herausforderung und Ärgernis für die Bewohner der Städte. Das ist besonders gut in der Stadt Zürich dokumentiert. Hier führten die sogenannten „Ehgräben“, schmale Gassen zwischen den Häusern, in denen Abfall und Fäkalien entsorgt wurden, häufig zu „Abtrittstreitigkeiten“, wie sich bis heute im Archiv der Stadt nachlesen lässt.
Im Lauf der Jahrhunderte verändert sich die Zusammensetzung des Mülls zum Teil dramatisch. Denn mit jeder Erfindung des Menschen entsteht eine neue Art von Müll. Als erster hartnäckiger Abfall erweist sich Keramik, wovon noch heute, der Monte Testaccio in Rom zeugt. Denn hier liegen nicht weniger als die Scherben von schätzungsweise 50 Millionen Amphoren, der ersten massenhaft produzierten „Einwegverpackung“ der Geschichte. Für die Umwelt war sie allerdings noch unbedenklich. Das gilt für moderne Verpackungen längst nicht mehr. Heute steht die Welt vor dem Problem einer Plastikflut, die vor allem die Weltmeere bedrohlich belastet.
Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass der Mensch einerseits zum „Müllmachen“ verdammt ist, dass er aber auch immer wieder Strategien entwickelt hat, dem Problem Herr zu werden.